Die größten Rechtsirrtümer im Zusammenhang mit Hartz IV

Diese Seite ist zum Nachdenken für alle Klugscheißer gedacht, die Hartz IV schon immer richtig fanden und gern darüber diskutieren, die aber eigentlich nur eins haben: Null Ahnung!!!

1. Irrtum
Empfänger von ALG II dürfen über das Wochenende ihre 500 km entfernt wohnenden Verwandten besuchen, da sie nur einmal am Tag ihren Briefkasten leeren müssen.

F A L S C H !!!

Die DA der BA für Arbeit zu § 7 SGB II führt unter der Rz 7.56 aus, dass mit Inkrafttreten des SGBII-Fortentwicklungsgesetzes derjenige kein Arbeitslosengeld II mehr erhält , der sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält.

Weiter heißt es unter Rz 7.59: „Nach § 7 Abs. 4a 1. Hs führt ein Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs zum vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs, wenn nicht die Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners eingeholt wurde. Der zeit- und ortsnahe Bereich ist in § 2 Satz 2 EAO definiert. Dazu gehören alle Orte in der Umgebung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende, von denen aus der erwerbsfähige Hilfebedürftige erforderlichenfalls in der Lage wäre, den Leistungsträger täglich und ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen. Ein unschädlicher auswärtiger Aufenthalt kann damit noch vorliegen, wenn der Hilfebedürftige für die Vorsprache beim Träger insgesamt 2,5 Stunden für den Hin- und Rückweg aufwenden muss.“

Der Wegfall des Leistungsanspruchs hat also nichts mit dem Sicherstellen des Lesens der Post zu tun, denn es heißt weiter unter DA Rz 7.70: „Die übrigen Bestimmungen der EAO sind nach § 7 Abs. 4a 2. Hs entsprechend anzuwenden. Hieraus folgt, dass der Hilfebedürftige auch innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs seine Erreichbarkeit sicherzustellen hat. ... Daher muss sichergestellt sein, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende erreicht werden kann.“

D. h., ein Betroffener darf nicht ohne Zustimmung seines Vermittlers am Wochenende von Zeitz an die Ostsee fahren. Er darf aber ohne Zustimmung seines Vermittlers mit seinen Kindern von Zeitz in den Leipziger Zoo fahren, wenn er sicherstellt, dass er seine Post am gleichen Tag noch lesen kann. Er darf also nicht mit seinen Kindern von Zeitz nach Leipzig in den Zoo fahren und anschließend in Leipzig bei der Oma übernachten, sondern er muss am gleichen Tag nach Zeitz zurückkehren, um seine Post zur Kenntnis zu nehmen.

2. Irrtum:
Ein Arbeitnehmer bucht im Februar eine Urlaubsreise für August. Im März erhält er die Kündigung zum 30. Juni. Da er die Anwartschaftszeit noch nicht erfüllt hat bekommt er kein ALG I, sondern fällt direkt ins ALG II. Er darf die Urlaubsreise antreten, da er sie gebucht hat, als er noch nicht arbeitslos war.

F A L S C H !!!
Die DA der BA für Arbeit zu § 7 SGB II führt unter der Rz 7.63 aus, dass „die Zustimmung zu einer Ortsabwesenheit nicht erteilt werden kann, wenn in der Zeit der vorgesehenen Ortsabwesenheit eine berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung in Arbeit, in eine Ausbildungsstelle oder die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme) des Hilfebedürftigen zu erwarten ist. Insoweit ist eine Prognoseentscheidung zu treffen“.

Weiter ist ausgeführt, dass „in den ersten 3 Monaten der Arbeitslosigkeit die Zustimmung nur in begründeten Ausnahmefällen erteilt werden soll, weil die Vermittlungschancen in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit erfahrungsgemäß am aussichtsreichsten sind. Da dem Leistungsberechtigten grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist, kommt eine Zustimmung innerhalb der ersten drei Monate des Leistungsbezugs nach dem SGB II nur in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Bucht ein Leistungsempfänger z.B. während des Bezugs von ALG I eine Urlaubsreise für einen Zeitraum, in dem er voraussichtlich SGB II-Leistungen beziehen wird, so stellt dies allein noch keinen anerkennenswerten wichtigen Grund dar“.

Eigentlich schreibt Artikel 11 Abs. 1 GG vor: „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet“. Allerdings schränkt Abs. 2 ein, dass „dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und für die Fälle eingeschränkt werden darf, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist“. Aufgrund dieser Einschränkung werden Leistungsberechtigte wie Schwerstkriminelle an ihren Heimatort „gekettet“ und mit einer Art „Fußfessel“ versehen.

3. Irrtum:
Die Oma schenkt ihrem Enkelkind, dessen Eltern ALG II beziehen, 100 € zum Geburtstag. Das Geschenk der Oma hat keine Auswirkungen auf die Höhe des ALG II.

F A L S C H !!!
Die DA der BA für Arbeit zu § 11 SGB II führt unter der Rz 11.121 aus, dass "Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, privilegiert (anrechnungsfrei) sind, soweit sie 3.100 € nicht übersteigen." Von Geburtstag ist in den DA keine Rede.

Deshalb ist das Geldgeschenk eine einmalige Einnahme. Einnahmen – auch einmalige – sind nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie für jedes Mitglied der BG 10 € innerhalb eines Kalendermonats nicht übersteigen. Diese Bagatellgrenze führt dazu, dass einzelne Einnahmen für sich betrachtet anrechnungsfrei bleiben, wenn sie 10 € monatlich nicht übersteigen; dies gilt auch für laufende Einnahmen (DA Rz 11.111). Da die Geldzuwendung der Oma mit 100 € oberhalb der Bagatellgrenze liegt, mindert das Geschenk den Leistungsanspruch der BG, da es sich um eine Geburtstagszuwendung und nicht um eine Zuwendung zur Jugendweihe, Firmung, Kommunion oder Konfirmation handelt.

4. Irrtum:

Eltern, die ALG II beziehen, beschließen ihrem Kind durch außerschulischen Nachhilfeunterricht zu ermöglichen, einen besseren Notendurchschnitt zu erreichen, um dem Kind den Wechsel von der Sekundarschule zum Gymnasium zu ermöglichen. Die dafür entstehenden Kosten werden vom Amt im Rahmen des viel gepriesenen Bildungs- und Teilhabepaketes von Frau von der Leyen erstattet.

F A L S C H !!!

Kosten von außerschulischem Nachhilfeunterricht werden nur in bestimmten Fällen berücksichtigt. Die Nachhilfe muss dazu dienen, ein wesentliches Lernziel im Sinne des jeweiligen Landesschulrechts zu erreichen. Das ist regelmäßig die Versetzung in eine nächste Klassenstufe bzw. die Erreichung eines „ausreichenden Leistungsniveaus“. Sofern dies nicht gefährdet ist, kommt Lernförderung nicht in Betracht. Nachhilfe wird auch dann nicht bezahlt, wenn trotz Nachhilfe die Versetzung nicht mehr erreicht werden kann und wenn ein Wechsel der Schulform oder eine Wiederholung der Klasse angezeigt ist. Auch zum Erreichen einer besseren Schulartempfehlung wird Nachhilfe nicht gefördert.

5. Irrtum:

Eltern, die ALG II beziehen, gehen mit ihrem Kind gelegentlich ins Theater, um ihrem Kind ein Mindestmaß an kultureller Teilhabe zu ermöglichen. Die dafür entstehenden Kosten werden vom Amt im Rahmen des viel gepriesenen Bildungs- und Teilhabepaketes von Frau von der Leyen mit 10 € monatlich bezuschusst.

 

F A L S C H !!!

Kindern und Jugendlichen wird bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres ein Bedarf in Höhe von bis zu 10 € monatlich für Kosten der Teilhabe anerkannt. Hierzu gehören neben Mitgliedsbeiträgen für Sportvereine und Mitgliedsbeiträgen zu Vereinen in den Bereichen Spiel, Kultur und Geselligkeit auch Aufwendungen für Unterricht in künstlerischen Fächern (Musik- und Volkshochschulen, Privatpersonen) und für vergleichbar angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung (museumspädagogische Angebote, Theaterworkshops, Angebote zur Stärkung der Medienkompetenz). Kinoveranstaltungen sowie die Besuche von Freizeitparks, Freibädern u. ä. werden jedoch nicht anerkannt. Auch der Theaterbesuch mit den Eltern ist kein förderungswürdiger Tatbestand, da es sich nicht um eine „angeleitete Tätigkeit“ handelt. Es geht inhaltlich also gar nicht um Bildung und Teilhabe, sondern nur um das Mästen bestimmter Träger und Anbieter.

6. Irrtum:

Ein Mann lebt mit einer Frau in „wilder Ehe“ zusammen und beherbergt auch das aus erster Ehe der Frau stammende Kind. Er muss für die Frau und das Kind aufkommen, da er mit den beiden in einer Bedarfsgemeinschaft (BG) lebt. Tut er das nicht, haben Frau und Stiefkind einen einklagbaren Unterhaltsanspruch gegen ihn.

F A L S C H !!!

Im SGB II-Recht wurde das Konstrukt der BG geschaffen und die Unterhaltsgrundsätze des BGB ausgehebelt. § 7 Abs. 3 SGB II regelt, wer zur BG gehört:

  • die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,
  • die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
  • als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte bzw. der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner bzw. eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
  • die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den vorgenannten Anstrichen genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen vermutet, wenn Personen

  • länger als ein Jahr zusammenleben,
  • mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
  • Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
  • befugt sind, über Einkommen oder Vermögen der anderen zu verfügen.

Von diesen Regelungen im SGB II unberührt bleiben die Bestimmungen des BGB. Nach § 1601 BGB sind nur Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Hieraus resultiert, dass es keinen familienrechtlich einklagbaren Anspruch auf Unterhalt gegen den nichtehelichen Lebenspartner bzw. Stiefvater gibt. Trägt er also nicht mit zum Unterhalt der Lebenspartnerin und des Stiefkindes bei, verbleibt den beiden nur, sozialgerichtlich das Vorhandensein einer durch eine höchst umstrittene Beweislastumkehr nach einem Jahr Zusammenleben durch den Gesetzgeber unterstellten Veranwortungs- und Einstehensgemeinschaft zu bestreiten.

7. Irrtum:

Der Ehemann ist als Monteur bundesweit im Einsatz und er bekommt von seinem Arbeitgeber Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe der steuerfreien Höchstbeträge (6 € bei einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden, 12 € bei einer Abwesenheit von mehr als 14 Stunden, 24 € bei einer Abwesenheit von 24 Stunden). Da es sich hierbei um Aufwandsersatz handelt, wird die Auslöse nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II angerechnet.

 

F A L S C H !!!

In der Wissensdatenbank der BA für Arbeit ist unter Eintrag Nr. 10032 zu § 11 SGB II ausgeführt: „Die Auslöse ist als Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Mit der Zahlung einer Auslöse soll berufsbedingter Aufwand für Verpflegung und Übernachtung (z.B. bei Berufskraftfahrern) abgedeckt werden, sie dient somit überwiegend dem gleichen Zweck wie das ALG II.

Daher ist die Auslöse als Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Sofern die Auslöse dazu dient, einen Mehraufwand auszugleichen, wird dieser Zweckbestimmung dadurch Rechnung getragen, dass vom Gesamteinkommen (Arbeitseinkommen + Auslöse) neben den weiteren Absetzbeträgen des § 11 SGB II alle berufsbedingten Mehraufwendungen als Werbungskosten gem. § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II in Abzug gebracht werden können.

In Betracht kommen Übernachtungskosten, Verpflegungsmehraufwand (pauschal 6 € bei mindestens 12-stündiger Abwesenheit), Aufwendungen zur Körperpflege bei Nutzung öffentlicher Einrichtungen auf Autobahnrastplätzen, sonstige Mehraufwendungen, die bei Ausübung der Beschäftigung am Wohnort nicht entstünden.

Die Tatsache, dass Spesen nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei sein können, steht der Berücksichtigung als Einkommen nicht entgegen. Denn im Steuerrecht werden Einnahmen aus ganz unterschiedlichen Gründen privilegiert (z.B. haushaltspolitische, lenkungspolitische oder umweltpolitische Gründe).“

Erhält ein Arbeitnehmer also für den Montag und den Freitag von seinem Arbeitgeber 12 € je Tag und für den Dienstag bis Donnerstag 24 € je Tag als Auslöse – insgesamt also 96 € in der Woche, so ist dieser Betrag Einkommen i. S. d. § 11 SGB II. Lediglich um 6 € je Tag – also um 30 € in der Woche – darf er jedoch sein Einkommen mindern.

8. Irrtum:

Der Ehemann ist als Monteur bundesweit im Einsatz und fährt wöchentlich am Wochenende zu seiner Familie nach Hause. Die Aufwendungen für die Heimfahrten mindern als Werbungskosten das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft.

 

F A L S C H !!!

Die DA der BA für Arbeit zu § 11 SGB II führt unter der Rz 11.150 aus, dass „davon auszugehen ist, dass im Regelfall ohne weitere Prüfung mindestens eine Familienheimfahrt im Kalendermonat erforderlich i. S. d. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB II ist. Bei Verheirateten ... können in Anlehnung an reisekostenrechtliche Regelungen zwei Familienheimfahrten monatlich als erforderlich anerkannt werden. Absetzbar sind Kosten max. in Höhe der Aufwendungen, die sich bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die 2. Wagenklasse unter Ausnutzung bestehender Tarifvergünstigungen ergeben.“

Die BA für Arbeit geht also davon aus, dass bei verheirateten Monteuren nur zwei monatliche Familienheimfahrten „erforderlich“ sind und erkennt nur diese im Regelfall an.

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